Der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg

Am 7. Dezember 1941 greifen 352 japanische Flugzeuge den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii an.

Die USA und der Eintritt in den Zweiten Weltkrieg

Der folgende Text legt dar, wie die USA immer stärker in den Zweiten Weltkrieg hinein gezogen wurden, obwohl die Öffentlichkeit ein Eingreifen zunächst strikte ablehnte.

In den ersten 150 Jahren ihrer Geschichte hatten die Vereinigten Staaten zwar immer wieder Kriege geführt, Verträge geschlossen und sich an Konferenzen beteiligt. Zu einer dauerhaften Mitwirkung am internationalen Geschehen waren sie aber nicht bereit gewesen. Um die USA zu einem Eintritt in die globale Politik zu bewegen, bedurfte es schon einer direkten und unabweisbaren Bedrohung der eigenen Sicherheit und Unversehrtheit. Aber selbst die Eroberungskriege Deutschlands in Europa und Japans in Ostasien wurden von den Vereinigten Staaten zunächst nicht als eine solche Gefahr wahrgenommen. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei und dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 durch deutsche Truppen erklärte Präsident Roosevelt in einer Ansprache vor dem Kongress nicht weniger als vier Mal, dass seine Politik das Land aus dem Krieg heraushalten solle. Hinter den Kulissen arbeitete er jedoch mit Erfolg daran, das im Neutralitätsgesetz von 1937 festgeschriebene Embargo für Rüstungsgüter zu lockern. So konnte die US-Regierung schon im November 1939 Grossbritannien und Frankreich Waffen gegen sofortige Bezahlung (Cash-and-Carry) verkaufen. Obwohl sich Roosevelt damit eindeutig auf die Seite der Alliierten stellte, kam ein stärkeres Engagement angesichts der massiven Opposition in Bevölkerung und Parlament nicht in Betracht. Die eigenen Kriegsvorbereitungen blieben gering. Zwar bewilligte der Kongress nach verzweifelten Appellen des Armeechefs eine Erhöhung der Truppenstärke auf 375 000 Mann. Aber sogar nach der Kapitulation Frankreichs betonte der Präsident in einer Wahlkampfrede am 30. Oktober 1940: „Ich habe es bereits vorher gesagt, aber ich werde es wieder und wieder und wieder sagen: Eure Jungs werden in keinen Krieg geschickt.“
Nach seiner zweiten Wiederwahl im November 1940 schlug Roosevelt allerdings einen aktiveren Kurs ein. Er brachte das „Leih- und Pachtgesetz“ (Lend-Lease Bill) durch den Kongress, das Grossbritannien erlaubte, sich Kriegsmaterial in den USA zu borgen mit der Auflage, es später zurückzugehen. In einem seiner berühmten „Kamingespräche“ (Fireside chats) versprach der Präsident am 29. Dezember 1940, alles zu tun, den von den Achsenmächten angegriffenen Nationen zu hellen, sieh selbst zu verteidigen. Seine Landsleute rief Roosevelt auf, die Vereinigten Staaten in das „Arsenal der Demokratie“ zu verwandeln. Die Unterstützung Grossbritanniens mit amerikanischen Rüstungsgütern habe aber nur das eine Ziel, den Krieg von Amerika und seiner Bevölkerung fernzuhalten. Der deutsche Überfall auf Russland am 22. Juni 1941 und der rasche Vormarsch der Wehrmacht liessen indes die Gefahr ansteigen, dass das Deutsche Reich in kurzer Zeit den ganzen Kontinent von Paris bis Moskau unter seine Kontrolle brachte. Dies konnte man in Washington nicht hinnehmen. Ein Europa, das von einer den USA feindlich gesinnten Macht dominiert worden wäre, verfügte über genügend Ressourcen, um die amerikanischen Interessen und die Sicherheit des Landes zu gefährden. Innerhalb weniger Monate ordnete der Präsident nun zahlreiche Massnahmen an, die die Vereinigten Staaten immer mehr zur Kriegspartei machten. Zunächst erklärte er eine atlantische Neutralitätszone, die fast bis Island reichte, liess sie von der Navy patrouillieren und die Position deutscher U-Boote an die Briten weitergeben. Als ein deutsches U-Boot im September 1941 ein Torpedo auf einen US-Zerstörer feuerte, ordnete der Präsident an, alle feindlichen U-Boote zu beschiessen, die in Sichtweite kämen. Im Oktober weitete Roosevelt das „Leih- und Pachtgesetz“ auf die Sowjetunion aus und überzeugte den Kongress, fast alle Beschränkungen für den Handel aufzuheben. Amerikanische Schiffe konnten von nun an Waren direkt in britische Häfen liefern.
Trotz des verstärkten amerikanischen Engagements stand es im Spätherbst 1941 nicht gut um die Anti-Hitler-Allianz in Europa. Die Wirtschafts- und Militärhilfe der USA hatte die deutsche Expansion nicht aufhalten können. Auch in Ostasien verschlechterte sich die strategische Lage. Japans Grossmachtpläne hatten sich in den 1930er Jahren in der Übernahme der Mandschurei und in der Invasion Chinas manifestiert. Um seine Eroberungspolitik fortsetzen zu können, benötigte Tokio Rohstoffe, insbesondere das Öl Südostasiens. Ein wichtiger Schritt zur Erreichung dieses Ziels war die im Sommer 1940 beginnende Besetzung des französischen Kolonialreichs in Indochina.

Die Erwartung der Regierung in Tokio, die Vereinigten Staaten würden ihr wegen des Kriegs in Europa freie Hand in Asien geben, erfüllte sich indes nicht. Roosevelt hatte zwar lange versucht, den sich abzeichnenden Konflikt mit Japan diplomatisch einzuhegen, aber keinen Erfolg damit gehabt. Im September verhängte Washington ein Handelsembargo, das de facto auch für Rohöllieferungen galt, und fror die japanischen Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten ein. Das britische Empire und auch Niederländisch-Ostindien (das heutige Indonesien) schlossen sich diesen Massnahmen an. Damit verschärften sich die wirtschaftlichen Probleme Japans dramatisch. Gefangen im Netz seiner eigenen Aggression sah sich das Kaiserreich vor die Wahl gestellt, seine Expansionspolitik aufzugeben, aus Südostasien und China abzuziehen und einen Ausgleich mit Washington zu suchen oder an den Eroberungen festzuhalten und dafür auch einen Krieg mit den USA vom Zaun zu brechen. Die japanische Militärführung entschied sich für die zweite Möglichkeit. Ihr Plan war es, die amerikanische Militärmacht im Pazifik mit einer schnellen Attacke zu zerstören, sich der Rohstoffquellen Südostasiens und Niederländisch-Ostindiens zu bemächtigen und dann aus einer Position der Stärke mit Washington in Friedensverhandlungen einzutreten.
Am 7. Dezember 1941 griff Japan an. Mit einem Überraschungsschlag versenkten 352 japanische Maschinen, die von acht Flugzeugträgern aus gestartet waren, an einem Sonntagmorgen in nur zwei Stunden grosse Teile der in Pearl Harbor auf Hawaii vor Anker liegenden US-Pazifikflotte. 2403 Amerikaner kamen dabei ums Leben. Der japanische Botschafter in Washington, der Aussenminister Cordell Hull vom Abbruch der diplomatischen Beziehungen kurz vor dem Angriff informieren sollte, überbrachte seine Botschaft wegen Übersetzungsproblemen erst eine Stunde nach Beginn der Attacke. Am 8. Dezember erklärte der Kongress der Vereinigten Staaten Japan den Krieg. Drei Tage später liessen Hitler und Mussolini Kriegserklärungen an die USA folgen, um deren Streitkräfte in einen Kampf auf beiden grossen Ozeanen zu verwickeln, bevor sie voll mobilisiert waren. Die amerikanische Regierung hatte bis zuletzt gezögert, den zwei europäischen Aggressoren mit eigenen Truppen entgegenzutreten. Jetzt befand sie sich im Krieg mit den mächtigsten Militärmaschinen der Erde. Mehr noch: Der japanische Überraschungsangriff veränderte die innenpolitische Gemütslage so fundamental wie kein anderes Ereignis in der bisherigen amerikanischen Geschichte. Die Anti-Kriegsstimmung der Bevölkerung und der Kongressabgeordneten, auf die Japan bei seiner Attacke gesetzt hatte, war wie weggeblasen. „Remember Pearl Harbor“, wurde zum Schlachtruf der USA im Zweiten Weltkrieg.Schon bald nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor kam die These auf, Roosevelt habe im Vorfeld davon erfahren und die Flotte nicht unterrichten lassen, uni den amerikanischen Kriegseintritt zu beschleunigen. Sie erhielt erneute Aufmerksamkeit, als der Historiker John Toland 1983 in seinem Buch „Infamy: Pearl Harbor and Its Aftermath“ angebliche neue Beweise für sie vorlegte.' Allerdings hielten seine Quellen einer genauen Überprüfung nicht stand. Alles, was Toland und andere Revisionisten anführen konnten, war ein Sammelsurium von Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Gerüchten. Acht offizielle Untersuchungsausschüsse und eine Unzahl von Veröffentlichungen erbrachten letztlich kein verwertbares Indiz für die These vom gezielten Verschweigen wichtiger Informationen durch den Präsidenten. Ein in den frühen 1990er Jahren vorgetragenes Argument, Churchill habe von den japanischen Angriffsplänen auf Pearl Harbor gewusst, aber Roosevelt nicht davon in Kenntnis gesetzt, weil er Washingtons Kriegseintritt wollte, konnte ebenfalls nicht erhärtet werden. Wie so oft ist die Erklärung für den „Tag der Niedertracht“ (Roosevelt) banaler, als dies die Verschwörungstheoretiker wahrhaben wollen. Japan war vom militärischen Standpunkt aus betrachtet ein glänzend vorbereiteter und exzellent ausgeführter Überraschungscoup gelungen. Die militärische Führungsspitze der Vereinigten Staaten hatte ihren Gegner unterschätzt, die Bedeutung von Flugzeugträgern für die Kriegführung verkannt, ihre Aufmerksamkeit auf die falschen Ziele gerichtet, die zur Verfügung stehenden Geheimdienstinformationen fehlinterpretiert und zu keinem Gesamtbild zusammengefügt, schliesslich die vorliegenden Studien ignoriert. Die örtlichen Flottenkommandanten versäumten es, auf die Warnungen aus Washington angemessene Vorbereitungen zu treffen, etwa durch Ausrufung des Alarmzustands oder gross angelegte Aufklärungsflüge. Henry Kissinger hat ein solches Versagen bei anderer Gelegenheit mit dein Satz richtig charakterisiert, es gebe nun einmal keinen Schutz gegen die eigenen Vorurteile.

Quellenangabe

Stefan Bierling, "Geschichte der amerikanischen Aussenpolitik", Regensburg 2003, S. 81-84