Machtergreifung

Hitler und Hindenburg bei der Reichtagseröffnung am 21. März 1933


Die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten


In Hitlers Kabinett der „nationalen Konzentration“ (ab Januar 1933) waren mit Reichsinnenminister Wilhelm Frick und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich zunächst nur zwei weitere Nationalsozialisten vertreten. Acht deutschnational-konservative Regierungsvertreter besassen das Übergewicht, durch die sich Vizekanzler Franz von Papen eine „Zähmung“ der Nationalsozialisten versprach. Dem illusorischen Zähmungskonzept wurden bereits mit der von Hitler geforderten Reichstagsauflösung am 1. Februar 1933 sowie mit der notwendigen Neuwahl des Reichstags die Grundlagen entzogen. Nunmehr vom Regierungsbonus begünstigt, begann die NSDAP unter der Parole „Kampf dem Marxismus“ einen Wahlkampf staatlich sanktionierten Terrors gegen die Opposition, allen voran gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD).

Mit Reichsinnenminister Frick und Göring als kommissarischem preussischem Innenminister waren zwei Schaltstellen der Macht mit Nationalsozialisten besetzt, die über die Polizeigewalt verfügten. Der preussischen Polizei verordnete Göring sogleich in einem „Schiesserlass“ vom 17. Februar den rücksichtslosen Gebrauch der Schusswaffe gegen alle politischen Gegner. Von ihm fünf Tage später in Preussen aufgestellte Hilfspolizeiverbände aus 50.000 Angehörigen der Sturmabteilung (SA), der Schutzstaffel (SS) sowie des „Stahlhelms“, die ihre Uniformen mit einer „amtlichen“ weissen Armbinde versahen, nahmen bis Ende April 1933 ca. 25000 Regimegegner in „Schutzhaft„. Noch im Frühjahr 1933 begannen SA und SS mit der Errichtung erster Konzentrationslager (KZ) in Dachau und Oranienburg.

Den entscheidenden gesetzlichen Rahmen für die Verfolgung politischer Gegner und die gleichzeitige Festigung uneingeschränkter Machtverhältnisse bildete für die Nationalsozialisten die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933. Die einen Tag nach dem Reichstagsbrand vom Reichspräsidenten unterzeichnete Notverordnung setzte die verfassungsmässigen Grundrechte der persönlichen Freiheit, der Meinungs-, Vereins- und Versammlungsfreiheit ausser Kraft. Über das Deutsche Reich wurde auf scheinbar legalem Weg ein permanenter, während des NS-Regimes nie aufgehobener Ausnahmezustand verhängt.
In diesem Klima der Rechtsunsicherheit besass die Reichstagswahl vom 5. März 1933 keinerlei freien Charakter. Gemessen an dem hohen Mass an Einschüchterung und propagandistischer Beeinflussung waren die 43,9 Prozent für die NSDAP eine tiefe Enttäuschung.


Nur zusammen mit den acht Prozent der „Kampffront Schwarz-Weiss-Rot“ aus Deutschnationaler Volkspartei (DNVP) und „Stahlhelm“ erreichte die NSDAP eine parlamentarische Regierungsmehrheit im Reichstag.
Die Nationalsozialisten bauten bei der Etablierung des NS-Regimes neben dem allgegenwärtigen Terror vor allem auf ihre Propaganda, die Emotionen befriedigte und eine verführerische Faszination ausübte. Hakenkreuzfahnen prägten nach dem 30. Januar 1933 das öffentliche Strassenbild. Riesige Parteiaufzüge und Aufmärsche sollten Zustimmung für die von der NSDAP propagierte „nationalsozialistische Revolution“ entfachen. Broschüren, Postkarten und Plakate mit dem Konterfei Hitlers begründeten einen Personenkult bisher unbekannten Ausmasses. In Huldigungen wurde er als „Retter des Vaterlands“ gefeiert. Immer wieder beschwor der am 13. März 1933 zum Reichspropagandaminister ernannte Joseph Goebbels zudem öffentlich das „Dritte Reich“, das Tradition und Machtanspruch des untergegangenen Kaiserreichs fortsetzen und die Demütigungen des Versailler Vertrags von 1919 revidieren würde.

Symbolisch reichte das neue, das nationalsozialistische Deutschland dem Kaiserreich beim von Goebbels äusserst erfolgreich inszenierten „ Tag von Potsdam„ am 21. März 1933 die Hand, als sich Hitler in dunkler Zivilkleidung ehrfurchtsvoll vor Reichspräsident von Hindenburg in kaiserlicher Uniform verneigte. Im In- und Ausland verfehlte diese Geste nicht ihre Wirkung. Auf den Wogen nationaler Euphorie vollendete Hitler zwei Tage später sein nächstes Vorhaben. Mit 444 zu 94 Stimmen nahm der Reichstag inmitten drohender SA-Verbände das „Ermächtigungsgesetz“ an, mit dem die Regierung Gesetze ohne Reichstag und Reichsrat verabschieden konnte. Alle anwesenden SPD-Abgeordneten hatten die Selbstentmachtung des Parlaments abgelehnt, die Abgeordneten der KPD waren verhaftet oder bereits im Untergrund. Die Ablehnung des Gesetzes durch die SPD bestätigte die konservativen Parteien in ihrer Auffassung, auf der richtigen, auf der „antibolschewistischen“ Seite unter Führung der NSDAP zu stehen. Viele Deutsche glaubten ernsthaft an die Gefahr eines sozialistischen Aufstands. Dass mit der Ausschaltung organisatorischer Strukturen der Linken durch die Zerschlagung der Gewerkschaften und durch die Errichtung des Einparteienstaats im Sommer 1933 eine vermeintlich feste „nationale Ordnung“ herrschte, entsprach grundsätzlich auch ihren Wünschen.


Quellenangabe

Deutsches Historisches Museum, Berlin


Materialien

- Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes
- Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat
- Rede von Otto Wels (SPD) zur Begründung der Ablehnung des Ermächtigunsgesetzes


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